Ich finde dies ist eine sehr interessante und durchaus lesenswerte Debatte - denn viele Bilder auf dieser Plattform, also hier und in der Galerie sind schlichtweg grausig.
Ich bin selber Seminar-Professionell, also jemand, der mit professioneller Technik, relativ viel professionellem Wissen und Talent nicht kommerziell unterwegs ist, und Hochzeiten, Schützenfeste und einiges derartiges fotografiert.
Grundsätzlich sind, in meinen Augen, Bilder, die von Menschenhand geschossen wurden und spontane Momente darstellen die besten, denn nur solche Bilder können auch eine wahre Geschichte erzählen. Nun, wenn man oft alleine ist, stellt das natürlich eine Herausforderung dar.
Selbstporträts sind immer eine Herausforderung, der viele Menschen nicht gewappnet sind, oft, weil sie simple Fehler machen.
Die heute gängigste Form des Selbstporträts ist sicherlich das unter dem Namen Selfie bekannt gewordene. Es ist schließlich die einzige mehr oder weniger spontane Weise, mit der man ein Bild von sich selbst machen kann. Dabei machen viele Leute ihr Bild selber schlechter, als sie müssten. Problem Nummer eins ist die Perspektive. Von unten zu Fotografieren ist schon mal ganz schlecht - man sieht dem anderen quasi in die Nase, und das muss einfach nicht sein. Betrachtet man dieses Bild dann nämlich, sieht man den Menschen von unten - unser Kopf interpretiert das dann so, dass unser Gegenüber größer ist als wir selbst, was, wenn es kein Foto sondern der echte Mensch ist, den wir betrachten, wegen des Winkels ja auch richtig wäre. Im Kopf löst das aber ein "Bedrohungsgefühl", was nicht unbedingt gut ist. Von oben zu fotografieren ist auch blöd, dann sieht man zumeist nur Haare. Im optimalfall also: Gerade.
Das wesentliche im Bild, beim Selfie üblicherweise das Gesicht, sollte stets in der Mitte, dem optischen Zentrum, im wahrsten Sinne des Wortes: dem Mittelpunkt stehen. Insbesondere in diesem Forum habe ich teilweise das Gefühl, dass so mancher hier bei seinem Selfie unbedingt noch Primäres Geschlechtsteil mit draufhaben will. Das ist aber problematisch, nicht, weil es nicht aufs Bild sollte, das ist mir offen gestanden ziemlich egal, sondern weil der Mensch eine relativ beschränkte Armlänge hat. Das führt dazu, dass der Winkel verändert wird, der Kopf ans obere Ende des Bildes wandert und die Perspektive dahin ist. Dadurch, dass der Kopf jetzt ganz oben ist nimmt die Person den "ganzen Raum" ein - unser Gehirn fühlt sich dann als Betrachter schnell eingeängt bzw. bedrängt - auch ziemlich doof.
Grundsatz: Vorne vor Hinten, Mitte vor Rand, Distanz über Position
Auch wichtig: Die Fotosituation. Grundsätzlich gibt es Orte, an denen man gut Bilder machen kann, und Orte, an denen genau das nicht geht. Im eigenen Zimmer sind Bilder okay. An besonderen Orten sogar was besonderes. Im Badezimmer hingegen nicht. Klar, ergibt sich dort eine besondere Situation, beispielsweise eine besondere Frisur oder dergleichen ist das was anderes, aber grundsätzlich: Nein.
Möchte man Fotos in der freien Natur oder an besonderen Orten von sich selbst haben ist es natürlich immer Hilfreich, jemanden dabei zu haben. Hat man das nicht ist ein Stativ zumeist die beste Lösung - nötigenfalls auch ein aus einem Langen Ast und einer Schraube selbstgebautes, denn der Grundsatz über die Perspektive ist derjenige, die am eingeschänktesten mit dem Selbstauslöser zu realisieren ist.
Zudem sollte das Foto natürlich einen Mehrwert besitzen - und nicht zur Identifikation dienen. Wenn der Hintergrund eines gestellten Bildes was besonderes ist reicht oftmals einfach ein freundliches Lächeln. Ist der Hintergrund nix besonderes ist es natürlich gut, wenn ihr die Besonderheit darstellt. Entweder in der Form, dass man beispielsweise das Zusammentreffen mehrerer Personen festhält (Schema Familienfoto), oder das die Person oder die Personen im Bild etwas besonderes machen (Handstand, doppelten Salto rückwärts, was auch immer). Da ist das Bild von Joki schon ein sehr gutes Beispiel. Sollte euch trotz all meiner Vorschläge dennoch nichts einfallen gilt die Devise: Lächeln und eine offene Körperhaltung einnehmen. Gerne auch den Kopf interessiert leicht schräg halten. Denn einfach nur trist dreinblickend in einer tristen Umgebung zu stehen löst beim Betrachter, der Mensch ist schließlich ein Empathifähiges Lebewesen, ebenfalls ein tristes Gefühl aus - und das gehört neunmal nicht in die Kategorie der "Wohlgefühle".
Ach ja, eines noch: Qualität vor Quantität, und das gilt nicht nur für die Menge der Fotos sondern auch für den Inhaltlichen Umfang des Bildes. Lieber einen Teil gut darstellen als alles schlecht.
Und: Füße gehören zum Körper - wer sie beim fotografieren abschneidet zerstört das Foto.