WDR 5: Nackte Angst: Scham unter der Schuldusche

  • Da sind wir wieder bei der Wichtigkeit des Vergleichsaspekts, der Jugendlichen immer mehr verloren geht. Keine Begegnung mit nackten Menschen, keine Bilder von nackten Menschen im eigenen Alter, nur Pornobilder, denen keiner gerecht werden kann. Und dann wundert man sich über schwindendes Selbstbewusstsein und falsche Erwartungshaltungen.

  • Kann es sein, dass eine gesetzliche Definition von natürlicher Nacktheit fehlt? Es wird ja immer nach der Mehrheit entschieden, nur die meisten lassen sich von der US puritanischen Prüderie beeinflussen. Denke man nur über die fragwürdigen Gruppenrichtlinien der sozialen Netzwerke nach! Diese sind nicht selten durch Investoren beeinflusst, die mehr Gewinn mit Gewalt machen, als mit dem normalen Leben. Da wird aus etlichen Blickwinkeln drüber berichtet, dass man meint, die Gewalt würde im Alltag dominieren. Dabei gehen die vielen schönen Dinge einfach nur unter. Ich bin da eher für eine Reglementierung der Berichterstattung, dass sie ausgewogen ist. Die Meinungsfreiheit darf natürlich nicht eingeschränkt werden, aber es fehlt der Zusatz, wo die Informationen herkommen, oder wessen Meinung das ist. Es ist nicht nur an den Jugendlichen, sondern auch an den heutigen Eltern, dass die Gesellschaft immer zugeknöpfter wird. Denke es ist ein schleichender Prozess, der länger im Gang ist.

  • Viele Menschen in den USA haben sowieso ein sehr komisches Verhältnis zur Nacktheit. Ich habe in einem Beitrag von Leuten gelesen, die nicht mal zu Hause beim Duschen (!) nackt waren, weil sie sich unwohl fühlten. Ich meine, was für ein kaputtes Selbstbild muss man denn haben, dass man nicht mal alleine nackt sein kann? Dass man vor anderen Leuten sich etwas schämt, kann ich verstehen, aber so...? Menschen können wirklich seltsame Wesen sein. Nacktheit ist so ziemlich das Natürlichste auf der Welt, und wird von so vielen Seiten verteufelt, ich verstehe es einfach nicht. Man müsste doch meinen, dass wir aufgeklärter werden und mit alten unsinnigen Normen brechen, aber scheinbar entwickeln wir uns in einigen Aspekten eher zurück. Da müssen wir mit einem guten Beispiel voran gehen.

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  • Zu meiner Zeit konnte ich schon nachvollziehen, dass man sich vor Klassenkameraden ggf. ungern auszieht. Insbesondere dann, wenn es unterschiedliche Entwicklungsstufen gibt und man das nackt sein weder aus der Familie noch aus dem Freizeitsport mit Gleichaltrigen kennt. Ich habe mich beim Duschen nach dem Schwimmuntericht nicht wohl gefühlt. Trotzdem hat man sich nackt ausgezogen und dafür nach dem duschen und abtrocknen schnell wieder angezogen. Heute kommt aber durch das Internet bzw. Medien noch das vergleichen hinzu. Das ist nicht einfacher geworden. Ich denke, es liegt unter anderem an dem Eltern, dem Nachwuchs ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein mitzugeben, mit gutem Beispiel voranzugehen und mit offener Kommunikation über die Themen zu sprechen. Wie seht ihr bzw. erlebt ihr das aus heutiger Sicht?


  • Moralische Bedenken kannte ich, im Hallenbad mag ich als Kind auch mit Badehose geduscht haben, aber diese "Angst", nackt gesehen zu werden - dass hätten weder Schulkameraden noch meine Geschwister oder Eltern, die öffentliche Nacktheit entschieden ablehnen, verstanden.

  • Das zeigt, wie beeinflussbar Gesellschaften über die Zeit sind. Die FKK Bewegung hat die Ursprünge in Deutschland. Die Zugeknöpftheit wird eher im Ausland zelebriert. Da gehen die Werte der Natürlichkeit verloren, um der Künstlichkeit den Vorzug zu geben. Finde auch, dass man das ein wenig am Naturschutz sehen kann. Je natürlicher das Verhalten, umso besser der Umgang mit der Natur. Man muss nicht auf alles verzichten, aber zumindest an die Folgen denken. Irgendwie denken Naturisten da eher an die Umwelt.

  • Ich denke auch, dass wir massiv von US-amerikanischer Prüderie beeinflusst sind. Kein Wunder, wenn die meisten ihre Moralvorstellungen und sogar ihre vermeintlichen Gesetzeskenntnisse aus US-amerikanischen Fernsehserien gewinnen. Wenn die Ära Trump uns eines gezeigt hat, dann dass wir so langsam ein europäisches Selbstbewusstsein entwickeln müssen. Ich will ja nicht gerade Ulbricht zitieren, aber:

    "Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen?"

  • Nur wenn man versucht, über ein Nationalbewusstsein, insbesondere das Deutsche, zu sprechen, kommen irgendwelche Gutmenschen aus dem Schatten gesprungen und belehren einen über Nationalismus... Das hat auf die heutige Elterngeneration abgefärbt. Es ist verpönt, was aus eigenen Reihen kommt. Gut ist nur (das für uns Schlechte), was von außerhalb kommt. Wenn den Jetzigen 30ern das schon vorgelebt wurde, wie sollen sich dann die Kinder anders entwickeln. Die Eltern sind nunmal noch immer Vorbild und für die Erziehung verantwortlich.

  • Wir hatten auch erst ab der Oberstufe die Möglichkeit, die Gemeinschaftsdusche zu nutzen, was ich auch gerne in Anspruch genommen habe. Es war zugegebenermaßen für mit mit 15 Jahren eine richtige Mutprobe. Die Pubertät war ja noch nicht allzulange her und mit all den körperlichen Veränderungen.

    Es waren schätzungsweise jedoch nur ein Drittel von uns, die die Dusche in Anspruch genommen haben, viele haben sich vermutlich gar nicht getraut.

  • @Pascal_78: Ich denke, das geht den meisten so.

    Peter.Nackig: Es gibt auch den Begriff "Systempatriotismus". D. h., ich versuche nicht, mich mit Deutschland zu identifizieren, weil ich Deutscher bin, sondern weil ich hinter den Werten des Grundgesetzes und unserer typisch europäischen Freizügigkeit stehe, und bereit bin, diese zu verteidigen. Das sollte auch den Linksradikalen einleuchten.

  • Ich hab in der Schulzeit weder nach dem Sport noch im Sportverein noch nach dem Schwimmen nackt geduscht; das haben nur die Jungs gemacht, die körperlichen Idealen entsprochen haben. Das Vergleichen und das Gefühl, der eigene Körper sei nicht präsentabel, ist also leider kein Problem, das erst kürzlich aufgekommen ist. Glücklicherweise kann man es aber mit etwas mehr Reife auch lösen.

  • Ich denke, das es zutrifft, was Zach schreibt. Glücklicherweise hatte ich zu meiner Schulzeit eine halbwegs sportliche Figur, was es mir leicht gemacht hat, nach dem Sportunterricht mit den anderen nackt zu duschen.

  • Bei mir hat sich das auch aufgelöst, als ich begonnen habe, viel zu trainieren - bis es irgendwann auch von meinem Körper unabhängiger wurde. Allerdings irritiert es mich heute wieder, wenn im Fitnessstudio oder im Schwimmbad niemand nackt duscht … und dann komm auch ich wieder ans Überlegen.

  • Beim Schwimmen in der Grundschule haben wir alle mit Badehose geduscht, was mir sehr gelegen kam weil damals schon, sehr früh, bei mir die Pubertät eingesetzt hatte.

    In den weiterführenden Jahren hab ich dann auch die Badehose anbehalten und erst mit ungefähr 18 das erste Mal seit der Kindheit nackt im Schwimmbad geduscht habe.

    Heute ist es zur Selbstverständlichkeit geworden, dass ich mich meiner Badehose entledigen, ganz egal ob dort andere Erwachsene sind oder vormittags Schulklassen.

  • Schon zu meiner Schulzeit - die nun doch schon ein paar Jahre zurückliegt - war Nacktheit für die überwiegende Mehrheit ein Tabu. Für mich damals übrigens auch. Nach dem Sportunterricht wurde in der Sek. I (also bis Klasse 10) nie geduscht und auch nie von Lehrerseite dazu aufgefordert. Es wäre allerdings auch gar keine Zeit dafür gewesen. Wenn Schwimmunterricht war, gab es Sammelumkleiden, in denen sich fast alle unter umgewickeltem Handtuch umzogen. Und unter der Dusche blieb die Badehose an. Auch damals gab es schon Badeshorts, nur wenige trugen Badehosen in Slipform. Ich erinnere mich nur an vielleicht zwei oder drei Jungs, die sich ohne Handtuchwickelei umgezogen haben.


    In der Oberstufe (andere Schule) war es nicht viel anders, nur ganz wenige duschten nach dem Sport. Die meisten hatten dann schon ein Auto und fuhren ungeduscht nach Hause (Sport war immer nachmittags, letzte Stunde). Ich meine mich zu erinnern, dass unter den Duschenden damals auch schon welche in Unterhose dabei waren. Also auch schon ein älteres Phänomen. Wie es beim Schwimmkurs war, kann ich nicht sagen, da ich in der Oberstufe keinen Schwimmunterricht mehr hatte (es gab damals freie Wahl der Sportarten).


    Letztlich dürfte es viel mit den örtlichen Gepflogenheiten zusammenhängen. Wenn viele Schüler in einer Klasse sind/waren, die aus Sportvereinen das nackte Duschen kennen, setzen diese das in der Klasse auch um und ziehen die Mehrheit der Mitschüler mit. Wenn es andersrum ist, dann erlebt man es so, wie von mir beschrieben. Früher gab es wohl, wie man manchmal liest, auch Sportlehrer, die das nackte Duschen angeordnet haben, heute wäre das wohl eher nicht mehr denkbar.


    Ein Argument aus dem Radiobeitrag, welches ich übrigens nicht so ganz nachvollziehen kann, ist das der Scham aufgrund eines vermeintlich nicht perfekten Körpers. Denn eine Unterhose oder Badekleidung bedeckt ja nun wirklich nicht viel. Jeder Mitschüler kann genauso sehen, ob der/diejenige eine sportliche Figur hat oder "zu dick" ist. Die Scham dürfte sich doch also wohl vor allem auf die Geschlechtsorgane beziehen. Doppelte Badebekleidung wird bei den Jungs getragen, damit niemand sieht, "was man(n) hat" (oder nicht hat - besonders wer "unterdurchschnittlich ausgestattet" ist, wird sich wohl ungern vor evtl. lästernden Mitschülern nackt zeigen wollen).


    Und dann ist da ja immer noch das Thema der ungewollten Erektion, die - falls sie denn auftritt - niemand sehen soll. Diese Dinge wurden im Radiobeitrag komischerweise gar nicht explizit angesprochen, obwohl sie sicherlich zumindest bei den Jungs eine Rolle spielen dürften.

  • Leider sind die Vergleichsmöglichkeiten immer mehr eingeschränkt worden, und damit auch die Möglichkeiten, seine Selbstzweifel zu überwinden. Außer halt in FKK-Bereichen.

  • In meiner Schulzeit war das auch irgendwie technisch gar nicht möglich, weil in den 90ern die meisten Schulen total runtergewirtschaftet waren. Die Duschen hätten nichtmal richtig funktioniert, abgesehen davon dass im Plan gar keine Zeit vorgesehen war. Deswegen weiß ich nicht, ob es jemand gemacht hätte. Im Verein war es eigentlich immer egal, da ist keiner mit Hose in der Dusche rumgelaufen.


    Vielleicht kommt das nur mir so vor weil ich schon alt bin 8o aber die letzten Jahre scheint es wieder ein bisschen mehr egal zu werden. Vielleicht entspannt sich das auch wieder.

  • Ich finde, das Thema ist schon schwierig. Kinder und Jugendliche kennen häufig noch keine Grenzen. Und wenn dann gelästert wird, dass ein Junge einen kleinen Penis oder ein Mädchen noch keine Brüste hat, kann das für die betroffene Person echt verletzend sein. Und da reicht manchmal ein einziger blöder Spruch, der Jungen und Mädchen, die noch nicht gefestigt sind, für Jahre verunsichern kann. Dazu kommt, dass in dieser Situation häufig kein Lehrer dabei ist, der eingreifen kann.

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