Naked Bike Ride Köln

  • Na ja, ob ein nackter WNBR in Deutschland wirklich gegen das Recht verstoßen würde, weiß man nicht so genau, die angewendeten Gesetze sind hier ja nicht gerade eindeutig formuliert. Es gab Versuche für WNBR-Veranstaltungen in Deutschland ab 2005. Das Problem: es handelt sich ja um Versammlungen (Demonstrationen) nach dem Versammlungsgesetz, und deshalb muss das angemeldet werden. Ich weiß jetzt nicht, ob es in den Anmeldungen explizit drinstand dass die Leute nackt sein werden, jedenfalls wurden die Versammlungen verboten wegen angeblichem Verstoß gegen den Gummiparagraphen 118 OWiG ("Belästigung der Allgemeinheit"). Wenn die Veranstalter das ganze nicht absagen wollten, dann waren sie gezwungen, komplette Nacktheit von Teilnehmern zu untersagen. 2014 gab es in Leipzig einen weiteren Versuch, die Veranstaltung wurde verboten. Die Anmelder sind hier sogar (per Eilverfahren) vor das Verwaltungsgericht gezogen, allerdings ohne Erfolg.


    Wenn sich eine Veranstaltung als Kunstprojekt bezeichnet, kann Nacktheit nicht mehr so einfach verboten werden, hier spielt die Kunstfreiheit dann eine Rolle.


    Bei Versammlungen ist es so, dass sich der Versammlungsleiter (also der Veranstalter) strafbar macht, wenn er nicht für die Einhaltung von Auflagen für seine Veranstaltung sorgt. Wenn also die Behörde (meistens Ordnungsamt) nach der Anmeldung einer Fahrrad-Demo einen Bescheid erlässt, in dem Nacktheit von Teilnehmern verboten wird, dann muss der Versammlungsleiter auch dafür sorgen, dass das beachtet wird, sonst kann er ein Problem bekommen.


    In unserem ach so liberalen und FKK-freundlichen Deutschland ist es mit der Freiheit nicht immer so weit her wie manche meinen.

  • Ja, da kann man sich wirklich nur wundern. In Ländern, die für ihre Spießigkeit in Sachen Nacktheit bekannt sind, in denen man mit Badehose in die Sauna geht und FKK-Strände rar sind, dort sind solche Veranstaltungen seit Jahren möglich (z. B. England und USA). Laut wikipedia gab es 2010 in 74 Städten in 17 Ländern WNBR-Veranstaltungen. Und in der "Heimat der FKK" ist sowas nicht möglich?

  • Mich hat es jedenfalls sehr geärgert, dass Deutschland mal wieder die Ausnahme macht, und wir zu den wenigen Ländern gehören, wo man dabei nicht ganz nackt sein darf. Bei einer angemeldeten Aktion kann "öffentliches Ärgernis" jedenfalls kein Argument sein. Es bleibt dann der Willkür der Behörden überlassen, ob sie es erlauben, und da müsste die grundgesetzlich garantierte Versammlungsfreiheit eigentlich ein ausreichendes Argument sein.


    Ich kann mich an eine Reportage über einen "wilden" Pornodreh in einem Park erinnern, wo die Polizei kam, und den Akteuren gesagt hat: "Wenn ihr das angemeldet hättet, hätten wir den Bereich für Euch abgesperrt, dann hättet ihr das machen dürfen." Vielleicht war die Polizei nur so kulant, weil ein Fernsehteam von einem größeren Sender dabei war, ansonsten finde ich es bemerkenswert, dass man mit polizeilicher Erlaubnis einen Pornodreh im Park machen darf, aber keinen Naked Bike Ride, bei dem man komplett nackt ist, aber in nicht-sexueller Weise.


    Dass Deutschland nicht mehr frei ist, was solche Dinge angeht, ist mir ja schon vor Langem aufgefallen. Nochmals die Erinnerung an meine Petition auf


    http://www.change.org/p/dr-sommer-team-der-jugendzeitschrift-bravo-helfen-sie-der-sexualaufklärung-altersgrenze-16-für-den-bravo-body-check


    mit der ich versuche, die Bravo dazu zu bringen, auch wieder 16- und 17-Jährige für ihre berühmten harmlosen Nacktfotos posieren zu lassen, natürlich mit Erlaubnis der Eltern der Models. Ich bin in einem Bravo-Fan-Forum, und jemand aus jenem Forum hat in der Sache bei der Zeitschrift nachgefragt und die Antwort bekommen: "Leser könnten das für Kinderpornographie halten." Welcher 13-jährige Leser hält 16- oder 17-jährige Männer und Frauen für Kinder, und welcher pornoverwöhnte Jugendliche hält diese harmlosen Aktbilder für Pornographie? Und warum war das 16 Jahre lang kein Problem, und jetzt ist es plötzlich eins?


    Dies nur zur Illustration, dass wir uns in einer Abwärtsspirale befinden, was die Akzeptanz nicht-sexueller Nacktheit angeht; alles Weitere kann man ja meinem eigenen Blog in diesem Forum entnehmen. Jedenfalls ist die Halbherzigkeit beim Naked Bide Ride nur das neueste Symptom einer sehr gefährlichen Entwicklung in unserem einst vorbildlich freien Land, die ich seit Jahren anprangere. Leider nur mit geringem Erfolg.

    • Offizieller Beitrag

    ...dass Deutschland mal wieder die Ausnahme macht...


    naja war in wien genauso. deswegen interessiert es mich auch nicht, dran teilzunehmen.
    was man so gelesen und gehört hat, waren zwar ein paar teilnehmer nackt. aber im fall des falles hab ich da keine lust auf diskussionen mit der polizei.

  • Das verstehe ich. Ich versuche auch, mich immer an die Regeln zu halten. Darum reagiere ich sehr extrem darauf, wenn Regeln unnötig verschärft werden, wie eben die Altersgrenze bei der Bravo, die ich hier ja schon ausführlich diskutiert habe.


    Die Diskussionen müssen halt die Veranstalter führen, und nicht die einzelnen Teilnehmer. Und die unnötigen Restriktionen sollten dann überall angeprangert werden, dafür gibt es ja ausreichend Medieninteresse. Ich bewundere jedenfalls die Teilnehmer, die trotzdem ganz nackt waren. Das sind für mich die Helden des Alltags. Wenn das genug Leute machen würden, könnte die Polizei nicht mehr viel dagegen tun. Aber ich gebe zu, dass ich da auch nicht den Mut zu hätte.

    Zwischen Deutschland und Österreich sehe ich eh keinen großen Mentalitätsunterschied. Durch die gemeinsame Sprache "genießen" wir die selben Medien (darunter eben auch so welche wie die Bravo), sodass Entwicklungen in beiden Ländern wohl stark gekoppelt sind.


    Von Karl dem Großen im 9. Jahrhundert bis zum Zerbrechen des Deutschen Bundes aufgrund des preußischen Machtstrebens im Jahre 1866 waren wir eh ein Volk, und in einem zusammenwachsenden Europa und einer im Internetzeitalter immer kleiner werdenden Welt könnte man darüber nachdenken, wie viel Sinn eine Staatsgrenze zwischen zwei Völkern mit gleicher Sprache, Geschichte, Kultur, Religion, Währung, etc. noch macht. Aber das Thema lasse ich lieber, weil man da gleich in die rechte Ecke gestellt wird, wie demokratisch, freiheitlich und weltoffen man auch eingestellt ist. Ein weiteres Beispiel für Tabuthemen.

  • Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dabei hier vor allem einige Metropolen im Norden hier vorpreschen. In Berlin war sogar oben ohne bei Frauen verboten. Grad dort war Nacktheit bei Demostrationen und Paraden (CSD, Loveparade, u.a.) durchaus erlaubt oder geduldet gewesen.


    Ich sage das deswegen, weil ich vor kurzem das hier aus Stuttgart (2018) gefunden habe:


    https://www.stuttgarter-nachri…aa-9f3f-48dfecaa8704.html


    Ich denke nicht, dass es darauf ankommt, wegen Kunstaktion oder so, dafür waren manche Aktionen einfach zu groß.


    In vielen Ländern gibt es bei Demonstrationen keine Kleiderordnung, daher geht das ja irgendwie auch bei den Amis & Co.. Dachte aber, dass das bei uns auch so war ?( .


    Warum gerade aber diese Metropolen da auf einmal vorpreschen, versteh ich irgendwie nicht.

  • Ich auch nicht. Das Vorurteil ist ja, dass die evangelischen Länder bzw. Gebiete im Norden toleranter und freizügiger sind. Und dass wir mittlerweile sogar die Amerikaner an Prüderie (ich meine damit die Haltung gegenüber nicht-sexueller Nacktheit) übertreffen, ist geradezu schockierend. Haben wir uns zu sehr bemüht, dem großen Bruder nachzueifern und ihn dabei überholt? Ich hoffe, dass das genug Leute bemerken, dann gibt es vielleicht doch einen Weg zurück zu der Freizügigkeit, die wir früher in diesen Dingen mal hatten.


    Und danke für den Link.

  • Von solchen Veranstaltungen in Großstädten halte ich nicht viel - ganz unabhängig von der Kleiderordnung. Viel lieber wäre mir eine Tour durch die Natur. Wo Nacktheit unangemessen erscheint, mag man dabei gern bekleidet radeln
    - aber textil ist es eben kein "naked bike ride". Streiche das N oder unterlasse die Tour ganz! Textile Sportvereine finde ich in Ordnung, FKK-Plätze bevorzuge ich, aber textil-pflichtige FKK-Plätze boykottiere ich.
    Entsprechend gilt: Unter dieser Überschrift lehne ich die Veranstaltung ab.

  • Unabhängig von unserer persönlichen Meinung geht es ja darum, unter welchen Umständen Nacktheit in der Öffentlichkeit strafbar sein sollte. Und ich sehe nicht ein, dass eine Erlaubnis im Allgemeinen weder auf angemeldeten Demonstrationen noch auf dafür ausgewiesenen (Rad-)Wanderstrecken in der Natur möglich sein soll. Solche Möglichkeiten gibt es nur in abgelegenen Gebieten, damit es bloß nicht zu Begegnungen mit Textilern kommt; da müsste ich sehr weit fahren. Wäre eine Nackt-Erlaubnis nicht in so manchem Naturschutzgebiet angemessen?


    Ich gehe sehr gern weite Strecken, und bei 34 °C wie neulich finde ich es schon nervig, dass man nicht ein paar Kilometer hat, wo man sich dafür ganz ausziehen dürfte und auch andere so laufen oder Rad fahren. Wo man dann vielleicht auch mal kurz in den Fluss springen könnte, ohne dass man vorsorglich eine Badehose dabei haben muss. Nackt dürfen da nur die Hunde rein springen. Das ist doch unnatürlich, wie es jetzt geregelt ist.


    Stattdessen habe ich bei heißem Wetter vom Auto aus schon mal einen jungen Mann mit offenem Hemd gesehen, der sich Hose und Unterhose bis weit unter die Schamhaargrenze an die "Wurzel des Übels" herabgezogen hatte. Er lag damit im erlaubten Rahmen, aber was ist ehrlich gesagt wohl anstößiger? Da wäre es doch angemessener, wenn er ganz nackt gehen könnte. Vielleicht nicht direkt an der Straße, sondern auf einem dafür zugelassenen Wanderweg.

  • Es ist doch wohl ein großer Unterschied, ob es zu einer Begegnung kommt, oder ob man wirklich öffentlich vor Publikum nackt ist. Ein Rennen in der Stadt ist in jedem Fall ein öffentliches Spektakel. Als Naturist würde ich gern nackt durch die Natur radeln (da suche ich das Naturerlebnis. Begegnungen nehme ich nur in Kauf), ein Rennen durch eine Großstadt wäre dagegen eher eine Demonstration (da radle ich vor einem Publikum, dass auch Anteil nimmt). An beidem würde ich gern teilnehmen - aber es ist etwas grundverschiedenes.


    Ich finde es auch unangemessen von öffentlicher Nacktheit zu sprechen, wenn mich zufällig jemand nackt entdeckt. Manchmal möchte ich ungestört bleiben und meide Begegnungen, in anderen Situationen ist es nett, Leute zu treffen und ins Gespräch zu kommen. Es mag einfach egal sein, ob mich jemand sieht, oder es gefällt mir, dass jemand Interesse zeigt. Es hängt an meiner spontanen Stimmung, aber auch an der Person die begegnet. Ich weiche ja nicht aus, weil ich mich meines Aussehens schäme, sondern weil ich vom anderen Unverständnis erwarte. Eben deshalb stört es mich nicht, wenn mich jemand auf einer Wanderung nackt im Bach baden sieht und anspricht, aber auf dem Wanderweg möchte ich dem selben Wanderer nicht begegnen. Ich möchte keinen Anstoß erregen. Wo aber Sympathie aufkommt, darf mich jeder ansehen. Exhibitionismus ist nun ein bewusstes Zur-Schau-Stellen. Wenn jemand nackt aus dem Gebüsch hervorspringt, um sich zu präsentieren, ist das etwas völlig anderes, als wenn er nicht ausweicht. Diese Unterschiede lassen sich nicht gesetzlich regeln. Es geht um Begegnung. Wo ich merke, dass meine Nacktheit Anstoß erregt, ziehe ich mich an oder zurück. Wo sie akzeptiert ist, bleibe ich nackt. Was sollen da gesetzliche Regelungen? Gesetze braucht man nur im Konflikt. Ein WNBR in der Stadt braucht eine Genehmigung, im Wald frage ich nicht danach - im Trupp wäre ich da ungeniert, allein zurückhaltend (da würde ich nur abgelegene Wege fahren)

  • Das ist halt das Problem, dass die Gesetze in diesen Belangen schon viel zu streng geworden sind. Solche Differenzierungen, wie Du sie zu Recht diskutierst, sind da nicht mehr möglich. Und die polizeiliche Auslegung der Gesetze scheint noch strenger zu sein.

  • In Deutschland hatte ich noch keine Konflikte mit der Polizei. Die kommt erst, wenn sie gerufen wird. Anders in Frankreich. Da spürt die Polizei durchaus Naturisten auf und es drohen viel heftigere Strafen.

  • Interessant. Ich dachte, die wären da lockerer, insbesondere, wenn ich an deren Filme denke. Oder versuchen die, Touristen auszunehmen?

  • Frankreich ist überhaupt nicht lockerer in Sachen Nacktsein als Deutschland. Bei uns in Baden-Württemberg wird das am Oberrhein ziemlich deutlich: viele französische FKK-Anhänger kommen zum Nacktbaden auf die deutsche Seite, weil es auf der französichen Seite kaum Möglichkeiten gibt.


    Es gibt zwar in Frankreich sehr viele (teils sehr große) FKK-Campingplätze und -Ferienanlagen, aber in der Bevölkerung gibt es viele Leute, die meinen, dass Nacktsein eben nur in solchen Anlagen gestattet sei und dass die Leute, die sich ausziehen wollen, deshalb doch bitte in eine solche Anlage gehen sollen.


    Die Gesetzeslage ist zwar grundsätzlich ähnlich wie in Deutschland. Es gibt aber bei der franzöischen Justiz/Verwaltung/Polizei leider verbreitet die Auffassung, dass bereits einfache Nacktheit den Tatbestand der Strafnorm gegen Exhibitionismus erfüllt (Art. 222-32 CP, "exhibition sexuelle"). Dürfte zwar nicht richtig sein, und derzeit gibt es hier Bewegung durch einige Gerichtsverfahren auf verschiedenen Ebenen, aber wie gesagt besteht immer noch die Gefahr, dass einfaches Nacktbaden zu Ärger führen kann.


    Um noch aufs Thema zurückzukommen: WNBR hatte in Frankreich bisher dieselben Schwierigkeiten wie in Deutschland und ist deshalb schon länger nicht mehr versucht worden. Für den 8. September 2019 wurde in Paris aber ein WNBR angesetzt, Veranstalter sind zwei französiche Naturistenvereinigungen. Ob das so klappen wird ist unklar und bleibt spannend, aber zumindest ist in Paris die Einstellung der Verwaltung in den letzten Jahren nackt-freundlicher geworden.

  • Vielen Dank für den Bericht aus dem Nachbarland. Hältst Du uns auf dem Laufenden, was die Urteile zur "exposition sexuelle" angeht? Ich beklage ja immer diese zunehmende Gleichsetzung von Nacktheit mit Sexualität. Nur weil man da die "Sexualorgane" sehen kann... Muss ich mir den Mund zubinden, wenn ich an einem bestimmten Ort nichts essen darf?


    Auch die Entwicklung beim WNBR würde mich interessieren. Ich bin ja sehr besorgt, was die Entwicklung der Einstellung gegenüber nicht-sexueller Nacktheit in den letzten ein, zwei Jahrzehnten angeht. Mich würde schon interessieren, wie es damit in anderen Ländern aussieht.


    Letztlich geht es um das vernünftige Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit, und mein Eindruck ist, dass wir die Freiheit immer mehr zugunsten der Sicherheit aufgeben. Frage an ältere Forenteilnehmer: Kann es sein, dass das seit dem 11. September 2001 so ist?

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